Samstag, 24. Januar 2009
 
Dritter Weltkrieg vor der Tür? PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Prof. Ernst Schwarcz   
Montag, 12. November 2007

Weltweite Anstrengungen von Medien, NGOs und Basisaktivisten gegen das Wettrüsten und die Kriegsgefahr fordert der Friedensaktivist Ernst Schwarcz, der den Politikern nicht traut.


In der biblischen Geschichte gibt es mehrere Beispiele dafür, dass Gott der Menschheit nicht nur wiederholt mit schweren Strafen und sogar mit der Vernichtung gedroht hat, weil er sich wegen ihrer Verderbtheit und wegen ihres Ungehorsams zutiefst ärgern musste, sondern dass er seine Drohungen auch in harte Taten umgesetzt hat. Im Alten Testament wird darüber berichtet. So sandte Gott am Höhepunkt seines Zorns die Sintflut. Aus dieser ist nur ein einziges Menschenpaar zusammen mit einer großen Zahl von Tier-Paaren auf der Arche Noah lebendig entkommen. Als die Menschen ihren Gott danach wieder mit dem Turmbau von Babylon herausforderten, strafte er sie mit der Verwirrung der Sprachen. Und als er schließlich von dem sündhaften Leben der Menschen in Sodom und Gomorra erfuhr, beschloss er die beiden Städte zu zerstören. Darüber steht in der Bibel, "dass Gott Schwefel und Feuer vom Himmel regnen ließ und die Städte vernichtete."

Auch zwischen der Antike und der Neuzeit gab es immer wieder Perioden, in denen sich die Menschheit aus verschiedenen Gründen vor einem Weltuntergang fürchten musste. Als eines der Beispiele dafür sei Papst Sylvester II. genannt, der als Zeitpunkt für den Weltuntergang den 31. Dezember 999 - die Jahrtausendwende - nannte und damit in der christlichen Welt eine Massenhysterie auslöste. Für September 1186 verkündete der Astronom Johannes von Toledo, dass Erdbeben und Stürme den Weltuntergang einläuten werden, worauf in ganz Europa - ähnlich wie zur Jahrtausendwende - eine Massenhysterie ausbrach. Und 338 Jahre später hat eine große Zahl von Astronomen aufgrund einer unheilvollen Konstellation der Planeten Jupiter, Saturn und Mars für den 1. Februar 1524 eine riesige Sintflut und damit den Weltuntergang vorausgesagt. Damals flohen 20.000 Londoner auf die umliegenden Hügel ihrer Stadt, konnten aber am nächsten Tag trockenen Fußes wieder nach London zurückkehren. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass der Reformator Martin Luther gleich in drei verschiedenen Jahren den Weltuntergang vorausgesagt hat: 1532, 1538 und 1541.

Es ließen sich noch viele weitere Beispiele für einen prognostizierten Weltuntergang aufzählen. Festgehalten werden kann, dass es seit dem biblischen Altertum mehr als vier Jahrtausende lang zwar eine große Zahl von Warnungen vor einem Weltuntergang gegeben hat, dass es aber bis heute n i c h t zu einer "Wiederholung der Sintflut", das heißt zur Vernichtung der ganzen Menschheit, gekommen ist. Was aber seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts in der Realität möglich geworden ist, ist die vollständige Zerstörung der menschlichen Zivilisation und die Vernichtung großer Teile der Menschheit nicht "wegen des Zornes Gottes" sondern wegen des "fehlgeleiteten Willens der politischen Machthaber". Heute sind es nicht mehr die moralischen Defizite der Menschheit aus der Sicht Gottes, die zu einem Dritten Weltkrieg und damit zum Weltuntergang führen könnten, sondern die falschen weil im Endeffekt selbstmörderischen politischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen großer politischer Gruppierungen.

Psychologisch könnte man hier auch von der "Macht des Bösen" sprechen, die das Denken der Menschen, vor allem der Politiker, derart verwirrt, dass sie die grundlegenden Bedingungen für ein friedliches Nebeneinander der Völker nicht erkennen können und auch gar nicht erkennen wollen. Sie haben nämlich - ohne viel nachzudenken - die seit vielen Jahrtausenden tief verwurzelten Denkweisen der Kriegsplanung und des Kriegführens auch dann noch beibehalten, nachdem eine völlig neue Situation entstanden war. Sie haben das neue Wissen von den bisher verborgen gewesenen Geheimnissen über das tiefste Wesen der Materie nämlich über die im Atomkern verborgene nahezu unendliche Kraft in ihrer sogenannten "Realpolitik" einfach nicht zur Kenntnis genommen.

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, nachdem 1914 der Erste Weltkrieg als Folge von Großmachtrivalitäten begonnen hatte und nachdem dann 25 Jahre später 1939 der Zweite Weltkrieg als Folge von Hitlers Eroberungspolitik europaweit entsetzliche Zerstörungen anrichtete, war für die Menschheit die bevorstehende tiefgehende Revolution noch nicht erkennbar. Sie bestand darin, dass ab dem Jahr 1945 der Weltuntergang als Folge der Entdeckung der Atomspaltung in der Realität möglich geworden ist. Diese fast unvorstellbar große Gefahr trat nach dem Abwurf der ersten beiden Atombomben über Hiroshima und Nagasaki ins Bewusstsein der Menschheit. Wobei nur wenigen bekannt ist, dass in den Arsenalen der USA nach dem Abwurf der beiden Bomben über Japan keine weiteren A-Bomben vorhanden waren. Erst mit dem Beginn des Kalten Krieges begann das mörderische atomare Wettrüsten, in dessen Folge die USA ca. 70.000 nukleare Sprengköpfe und die damalige UdSSR 55.000 Sprengköpfe produzierten. Am Ende des Ost-West-Konfliktes 1991 besaßen die USA noch ca. 21.500 nukleare Sprengköpfe und die UdSSR ca. 30.000.

Die Ersten, welche die ungeheure Gefahr eines großen Atomkrieges erkannten, durch den die ganze Welt vernichtet werden könnte, waren die Atomwissenschafter. 1957 fand auf ihre Initiative in dem kleinen kanadischen Fischerdorf Pugwash die erste sogenannte Pugwash-Konferenz statt, an der 22 Wissenschafter aus Ost und West teilnahmen. Unter ihnen befand sich auch der österreichische Physiker Hans Thirring. Schon zwei Jahre früher, am 9. Juli 1955, hatten Lord Bertrand Russel und Prof. Albert Einstein mit dem "Russel-Einstein-Manifest" den Anstoß zu dieser Konferenz gegeben. Die Kernaussage in diesem Manifest lautete: "Die Allgemeinheit und auch viele Menschen in gehobenen Positionen haben noch nicht erfasst, was ein Krieg mit nuklearen Waffen bedeuten würde. Alle Fachleute sind der einstimmigen Meinung, dass ein mit Wasserstoffbomben geführter Krieg ziemlich wahrscheinlich das Ende der Menschheit bedeuten würde."

Die Atombomben-Vorräte der beiden atomaren Großmächte wurden seit 1991, dem Ende des Kalten Krieges, stark abgebaut. Nach den Angaben des SIPRI-Jahrbuches 2007 des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes besaßen im Jahr 2006 die USA 5054 und Russland 5614 sofort einsatzfähige nukleare Sprengköpfe. Für die übrigen "Atomwaffenstaaten" ergaben sich aufgrund des SIPRI-Berichts folgende Daten: Großbritannien besitzt etwas über 200, Frankreich über 350 und China mehr als 200 nukleare Waffenköpfe; Indien und Pakistan besitzen zusammen ca. 110 Waffenköpfe; die Schätzungen über das israelische Nuklearpotenzial bewegen sich zwischen 60 und 200 Waffenköpfen. Von Nordkorea gibt es keine verlässlichen Informationen.

Den hier genannten Zahlen kann entnommen werden, dass die USA und Russland die höchste atomare Rüstung in der heutigen Welt besitzen und dass sie im Ernstfall in der Lage wären, einander gegenseitig völlig zu vernichten. Ein solcher Ernstfall würde aber auch für alle jene Länder, die nicht direkt in die Kriegshandlungen einbezogen werden, schwerste Schäden durch eine weltweit verbreitete Radioaktivität und durch Wetterkatastrophen bedeuten. Jede ernsthafte atomare Bedrohung der einen atomaren Großmacht durch die andere wie sie gerade im Jahr 2007 wegen des in Osteuropa geplanten (und in Wirklichkeit einseitig gegen Russland gerichteten) amerikanischen Raketenschildes in Erscheinung getreten ist, könnte zur Katastrophe führen. Hier muss auch nachdrücklich betont werden, dass schon allein das bloße Vorhandensein einer so großen Zahl von nuklearen Waffen in den hier genannten neun "Atomstaaten" eine schwere Bedrohung für die Sicherheit der ganzen Menschheit darstellt, weil bei den äußerst komplizierten nuklearen Waffensystemen sehr leicht technische Pannen passieren können. Vor allem könnte es durch Fehler in der Kommunikation zu einem unabsichtlichen Atomangriff "durch Zufall" kommen. Eine Reihe diesbezüglicher Beispiele wurden von dem früheren US-amerikanischen Luftwaffengeneral George Lee Butler aufgezählt und sind in meinem 2005 erschienenen Buch Zeitenwende (erschienen im agenda-Verlag/Münster) angeführt.

Höchst beunruhigend sind - abgesehen von der bereits eingehend besprochenen Atomrüstung - die Informationen bezüglich der sonstigen militärischen Rüstungsausgaben der ganzen Welt aus dem SIPRI-Jahrbuch. Die Weltrüstungsausgaben sind im Jahr 2006 auf fast unvorstellbare 1,2 Billionen US-Dollar gestiegen, was einer Steigerung um nicht weniger als 36,6 Prozent in nur drei Jahren entspricht! Diese riesigen Militärausgaben sind ein sehr deutliches Symptom für das weltweite (und aus der Sicht der kritischen Vernunft völlig wahnsinnige) Wettrüsten vieler Staaten in unserer heutigen Welt. Dieses Wettrüsten ist besonders wenn man noch die Zahl der sofort einsatzbereiten Atomwaffen hinzurechnet, ein deutliches Warnsignal für die real existierende Gefahr eines Dritten Weltkrieges, anders ausgedrückt: für einen "Weltuntergang". Mit dieser Gefahr leben wir große Teile der Menschheit allem Anschein nach im Gefühl einer falschen Sicherheit und selbstzufrieden, so lange wir von der rasanten wirtschaftlichen Expansion und von der über viele Länder der Welt verteilten Wohlstandswelle profitieren können.

Wir alle werden, bildlich gesprochen, von den "Mächten des Bösen" dazu verführt zu glauben, dass die politischen Machthaber in der heutigen Welt klug genug sind, keinen Atomkrieg anzuzetteln. Aber wir sehen ihnen untätig zu, wie sie immer neue Schritte zur Vorbereitung des Unheils setzen und wiegen uns im Irrglauben, "dass schon nichts passieren wird". Wir denken nicht, dass der schon von der Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner vor hundert Jahren angeprangerte "Überrüstungswahnsinn" in allen Geschichtsepochen nicht nur das Kriegführen an sich überhaupt möglich gemacht hat sondern auch wiederholt zu großen Kriegen geführt hat.

Was können wir gegen diesen Wahnsinn tun?

1. Das Allerwichtigste wäre, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, mit deren Hilfe es der weltweiten Waffenlobby bis heute möglich gewesen ist, ihre Verderben bringende Geschäftstätigkeit nicht nur erfolgreich zu betreiben sondern ständig auszuweiten. In der Öffentlichkeit fehlt das Bewusstsein, dass durch die umtriebigen Aktivitäten der Waffenlobby weltweit der Mord von Tausenden oder gar Millionen Menschen intensiv vorbereitet wird. Diese Kriegsvorbereitungen werden vor allem deswegen nicht aufgedeckt und stoßen auf keinen Widerstand, weil sie von der verlogenen Behauptung getragen werden: "Rüstung schafft Sicherheit" und "je mehr gerüstet wird umso sicherer ist unser aller Leben!" Und dann heißt es auch noch: "Was Arbeitsplätze schafft, ist sakrosankt". Selbstverständlich ist es keine Frage, dass Rüstungsbetriebe fast immer florieren und ihre Arbeiter eine so gut wie krisensichere Dauerbeschäftigung haben.

2. Der Kalte Krieg, der wegen der Kubakrise im Oktober 1962 beinahe zum Atomkrieg zwischen den USA und der damaligen UdSSR geführt hat, konnte durch den Druck der Öffentlichkeit und auch durch direkte Kontakte zwischen den beiden Akteuren überwunden werden. Emotionslose Verhandlungen zwischen den Vertretern der beiden Großmächte führten - unter Mitwirkung des damaligen Friedens-Papstes Johannes XXIII. - zu Kompromissen und spater zu Abrüstungsschritten. In der heutigen Weltlage müsste der Druck der Öffentlichkeit in allen Ländern der Welt die Politiker zu ähnlichen Abrüstungsschritten wie nach dem Ende des Kalten Krieges zwingen.

3. Die am 1. November 1993 vertraglich gegründete Europäische Union könnte als Vorbild für alle Staaten der Welt dienen, wie politische Probleme, die durch viele Jahrzehnte wiederholt zu großen Kriegen geführt hatten, eine friedlichen Lösung finden können. Dass es jemals wieder Kriege zwischen Europäischen Ländern geben könnte ist seit 1993 so gut wie ausgeschlossen. Und wenn dennoch Konflikte unter den Mitgliedsländern der Union auftreten sollten, so können sie durch geduldige Verhandlungen gelöst werden.

4. Es ist äußerst wichtig, dass sich alle für den Frieden engagierten Nichtregierungsorganisationen weltweit mit aller Energie gegen das Wettrüsten und gegen die Atomkriegsvorbereitungen einsetzen. Als Beispiele seien der in achtundvierzig Ländern durch 80 Organisationen vertretene "Internationale Versöhnungsbund" und das in den USA und in weiteren fünf Ländern vertretene "Parlamentarische Netzwerk für nukleare Abrüstung (PNND)" genannt. In einem Rundschreiben der letztgenannten Organisation vom 1. November 2007 werden die früheren US-Außenminister Henry Kissinger, George Schultz und William Perry mit ihrer Forderung zitiert, "die Vereinigten Staaten müssen ihre Anstrengungen zur Schaffung einer Nuklearwaffenfreien Welt verstärken".

5. Der US-Senator und ehemalige Kommandant der UNO-Truppen in Ruanda, Roméo Dallaire, wird in der gleichen Aussendung von PNND mit der Warnung zitiert: "Nukleare Waffen sind ihrem Wesen nach zerstörerisch. Sie dienen einem einzigen Ziel: der möglichst massiven Vernichtung unschuldiger Zivilisten. Sie sind Werkzeuge für einen Genozid und sie haben in einer Welt, in der das Leben der Menschen und der Schutz der Menschenrechte die höchsten Werte sind, nichts zu suchen. Sie müssen abgeschafft werden." Dieser Aufruf sollte nach Möglichkeit in allen Ländern, die Atomwaffen besitzen, verbreitet werden.

6. Die Bedeutung der Vereinten Nationen für die Friedenssicherung in kriegs- oder hungergefährdeten Gebieten ist unbestritten. Was aber viel zu wenig beachtet wird ist die Notwendigkeit, dass von den Mitgliedsländern der Vereinten Nationen friedensfördernde Impulse an die Weltorganisation herangetragen werden. Diese Impulse müssen von den Regierungen der einzelnen Mitgliedsstaaten kommen. Aber dazu müssten auch die jeweils zuständigen Regierungsstellen ihrerseits von öffentlichen Organen, von Nichtregierungsorganisationen oder auch von hochrangigen Persönlichkeiten entsprechende Anstöße erhalten.

7. Als letzter Vorschlag sei hier genannt, dass möglichst viele öffentliche Medien und auch möglichst viele Zeitungsredaktionen sich freiwillig dazu verpflichten sollten, erstens für ein Ende des Wettrüstens, zweitens für die weltweite Abrüstung aller Atomwaffen, drittens für eine allgemeine militärische Abrüstung und viertens für friedliche Verhandlungen zur Lösung der politischen und wirtschaftlichen Spannungen innerhalb und zwischen den verschiedenen Staaten einzutreten. Nur wenn die breite Öffentlichkeit in möglichst vielen Ländern der Welt über die Dringlichkeit von Lösungen für alle Fragen der Friedenserhaltung und für den Schutz der Menschenrechte objektiv informiert wird, besteht die Möglichkeit zu einer Trendwende.

12. November 2007

P. S.: Als Nebenbemerkung sei gestattet darauf hinzuweisen, dass der Verfasser dieses Textes Gelegenheit hatte, an der erwähnten 3. Pugwash-Konferenz in Kitzbühel/Österreich im Jahr 1958 persönlich teilzunehmen. Die "Wiener Erklärung", die damals im Beisein der aus Ost und West zusammengekommenen siebzig Spitzenwissenschafter veröffentlicht wurde, enthält wichtige Aussagen über die Gefahren eines Atomkrieges und über die Notwendigkeit militärischer Abrüstung.




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